Die Inszenierung
„Weltuntergang Berlin“ nach Lothar Trolle von
Werkstück VII speist sich vor allem aus Trolles „Weltuntergang
Berlin II“, welches in Teilen im Jahr 1987 an der Berliner
Volksbühne uraufgeführt wurde. Die Inszenierung
greift jedoch auch auf Trolles ca. zehn Jahre früher
entstandenes Stück „Weltuntergang Berlin“
sowie auf einige weitere Texte seines Schaffens zurück.
Ergänzend und kommentierend werden Textpassagen von Heiner
Müller, Bertolt Brecht und Heinrich von Kleist in den
Text eingefügt.
Während „Weltuntergang
in Berlin I“ vor allem eine Annäherung an die sowjetische
Eroberung Berlins, vergleichbar mit und eindeutig Bezug nehmend
auf Heiner Müllers „Schlacht“ oder Brechts
„Furcht und Elend“ darstellt, spannt „Weltuntergang
Berlin II“ den Bogen weiter: Hier wird in einzelnen
Szenen, von denen jede für sich einen Untergang –
besser gesagt, die Transformation – einer Welt beschreibt,
deutsche Geschichte von 1932 bis 1985 erzählt. Die Geschichte
verdichtet sich gerade durch die Fragmentalität der Episoden.
Es entsteht eine Nummernrevue, die zynisch zwischen Kasperletheater,
Schwank und Groteske wechselt. Der Ernst, das Böse und
damit auch das Erhellende werden keineswegs von dieser Herangehensweise
überdeckt, vielmehr fügen sich die scheinbar willkürlichen
Ausschnitte einer so erfunden wirkenden Wirklichkeit zu einem
Gesamtbild, in dem jedes Detail mit anderen Einzelheiten verbunden
ist bzw. alles Ursache und Wirkung zugleich voneinander ist..:
Der Gastwirt, der sich selbst zu Tode trinkt, weil er es nicht
ertragen kann, am Tag der Machtergreifung seine SS-Kundschaft
zu bedienen; der weinende Säugling, der die Zivilisation
im Luftschutzbunker in die Kindheit zurück schreit; die
Jugend, die die Bomben in den Nächten wie Sternschnuppen
genießt; die Mahlsdorfer Frauen, die im Vormarsch der
Roten Armee nur die Ankunft neuer Männlichkeit sehen;
der russische Soldat, der Landschaft lediglich durch den Sehschlitz
seines Panzers definieren kann; zu guter Letzt das Kind, das
– einsam in der Betonwüste sitzend – den
Dschungel die Welt verschlucken sieht.
Über Widerstand
und Unterstützung setzt Lothar Trolle die Ewigkeit der
Zeitenwenden; die auftretenden Figuren sind keine Individuen,
sondern stets Chor: Sie handeln nicht, sie bewerten nicht,
sie stellen dar.
Der im Titel aufgerufene
Weltuntergang wird somit ausgehöhlt, der Katastrophe
folgt immer etwas nach: Sie ist nicht Ende. sondern Anfang
vom nächsten Ende. Doch Lothar Trolle weist sich hiermit
keineswegs als Defätist, vielmehr ist die Aussage des
Stücks in seiner Gesamtkonstruktion zu suchen. Indem
er Geschichte zur Revue presst, führt er das Theater
der Diktatur mit der politischen Wirklichkeit zusammen. Zarah
Leander und Friedrichstadtpalast sind gleichzeitig die Negation
allen Fortschritts und zwanghafte Fülle im Leerstand.
Erst wenn der Mensch es schafft, das System der Revue zu durchbrechen,
kann er auf dem Theater wieder Handlung und er selbst wieder
Person werden.
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